Um sich dem Thema zu nähern, sollte zunächst einmal ein Blick in die strafrechtlichen Vorschriften geworfen werden, die die Straftaten gegen die persönliche Freiheit regeln. Zunächst ist dort § 239 StGB zu nennen, der sich mit der Freiheitsberaubung beschäftigt. Wer danach einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft. Hat der Täter die Freiheitsentziehung länger als eine Woche ausgedehnt, sind sogar bis zu 10 Jahre Haft denkbar.
Ferner kommt eine Nötigung nach § 240 StGB in Betracht. Wer danach einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder mit Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, kann ebenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft werden. Hinzu kommen z.B. Körperverletzungsdelikte i.S.v. § 223 BGB oder Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 StGB, wenn die zu pflegende Person unter 18 Jahre alt ist und der Fürsorge oder Obhut des Heimes untersteht. All diese Tatbestände zerfallen regelmäßig in drei Teile, nämlich einmal die Tatbestandsmäßigkeit, dann die Rechtswidrigkeit und zum Schluss die Schuld. Tatbestandsmäßig handelt, wird die Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht, mit anderen Worten, wer eben den Heimbewohner mit Fixierungseinrichtungen an Stuhl oder Bett fesselt, Leibgurte anlegt, Fixierdecken oder Zwangsjacken verwendet oder aber an Therapietischen entsprechende Befestigungen benutzt. Das gleiche gilt beim Einsperren von Betroffenen, wobei das Einsperren schon dann tatbestandsmäßig sein soll, wenn man komplizierte Schließmechanismen verwendet, die z.B. ein Demenzkranker nicht mehr ohne fremde Hilfe öffnen kann. Ferner können auch sedierende Medikamente als freiheitsentziehende Maßnahmen eingestuft werden, wenn sie gegeben werden, um den Betroffenen am Verlassen der Einrichtung zu hindern. Da kommen insbesondere Schlafmittel und Psychopharmaka in Betracht. Diese Definition ist dann nicht einschlägig, wenn die Nebenwirkungen der Medikamente, also beispielsweise Schläfrigkeit etc., nicht vermeidbar sind, wenn eben dieses Medikament gegeben wird. Sonst sind auch freiheitsentziehende Maßnahmen denkbar bei der Wegnahme von Bekleidung oder Schuhen, dem Anlegen von Pflegehemden, die Entfernung von Sehhilfen, Rollstühlen, Gehilfen und ähnlichem. Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird eine freiheitsentziehende Maßnahme dann angenommen, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in ihrem Fortbewegungswillen beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe von dem Opfer überwunden werden kann.
Ich denke, alle sind sich einig, dass eine solche Maßnahme regelmäßig den Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 BGB erfüllt und bei manchem renitenten Patienten gegebenenfalls auch den Tatbestand der Körperverletzung, wenn sich der Patient nicht ohne körperliche Gewaltanwendung in die Fixierungen hineingeben will. Diese tatbestandlichen Straftaten können dann aber nicht bestraft werden, wenn die Rechtswidrigkeit oder die Schuld fehlt. Um eine Bestrafung herbeiführen zu können, müssen alle drei Verbrechensmerkmale vorliegen, nämlich Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld.
Die hier thematisierten bürgerlich-rechtlichen freiheitsentziehenden Maßnahmen sind im BGB in den §§ 1906 f. geregelt. Davon zu unterscheiden ist die öffentlich-rechtliche Unterbringung von Patienten, die grundsätzlich nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder geregelt ist und zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig ist. Dieser Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung überschneidet sich mit der zivilrechtlichen, wobei die zivilrechtliche Unterbringung vorgeht. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung soll aber hier nicht weiter thematisiert werden.
1.
Da die Unterbringung in einer Anstalt oder einem Heim eine extrem einschneidende Entscheidung für den Patienten oder Betreuten darstellt, ist dafür in der Regel eine vormundschaftliche Genehmigung erforderlich. § 1906 Abs. 1 BGB lautet, „eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist“. In der Folge wird aufgeführt, dass das dann der Fall sein kann, wenn aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistiger oder seelischer Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder gesundheitlichen Schaden zufügt. Letzteres ist zum Beispiel gegeben, wenn der Betreute ständig unbekleidet im Winter im Freien herumläuft oder die Gefahr besteht, dass er, weil er orientierungslos ist, im Straßenverkehr zu Schaden kommt. Eine Unterbringung ist auch dann möglich, wenn nach Absatz 1 Ziffer 2 der Vorschrift eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, welcher ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann, wobei der Betreute aufgrund seiner seelischen oder geistigen Erkrankung die Notwendigkeit einer Unterbringung nicht erkennt oder es ihm verwehrt ist, nach der Einsicht in die Richtigkeit der Unterbringung zu handeln. Also dann, wenn beispielsweise eine Operation ansteht, die erforderlich ist, um die Gesundheit oder das Leben des Patienten zu erhalten, dieser aber nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit einer solchen zu verstehen und demnach auch nicht untergebracht werden will. Beispielsweise ist das denkbar bei einer Nierensteinerkrankung. Der Betreute, der zugleich über eine entsprechende seelische Erkrankung verfügt, ist dann oft nicht in der Lage einzusehen, dass die Entfernung der Nierensteine nötig ist, um die Funktion seiner Niere zu erhalten, was dann gegebenenfalls eine Einweisung erforderlich macht. Die Unterbringung ist nach Absatz 2 nur mit Genehmigung des Vormundschaftgerichts zulässig. Dabei ist zu fragen, wie lange man Zeit hat, eine solche Unterbringung zu beantragen und zu bewirken. Die Praxis greift da auf § 128 StPO zurück. Dort müssen verhaftete Personen am nächsten Tage dem Haftrichter vorgeführt werden. Ein längeres Inhafthalten ist nur dann möglich, wenn ein entsprechender Haftbefehl erteilt wurde. Nach diesem Schnittmuster geht man auch bei Unterbringungen vor. Man muss also innerhalb von 48 Stunden eine entsprechende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeiführen. Eine Unterbringung ohne die erforderliche Genehmigung ist nach § 1906 Absatz 2 Satz 2 BGB nur dann zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr im Verzug verbunden ist. In diesen Fällen, zum Beispiel bei der Einlieferung eines Verletzten, ist die Genehmigung nachzuholen. Diese vom Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung führt dazu, dass die tatbestandsmäßige Freiheitsentziehung nicht mehr rechtswidrig ist. Das Merkmal der Rechtswidrigkeit entfällt und mithin die Strafbarkeit. Insofern ist auch noch auf § 1906 Abs. 4 BGB hinzuweisen. Während die Absätze 1 bis 3 dann gelten, wenn der Patient schon untergebracht ist, betrifft Absatz 4 Patienten, die noch Zuhause gepflegt werden. Auch dort kann ein Betreuer freiheitsentziehende Maßnahmen veranlassen. Nach einer weit verbreiteten Meinung im Schrifttum und bei einigen Gerichten soll aber auch dann eine entsprechende Genehmigung eingeholt werden, weil es natürlich nicht so recht nachvollziehbar erscheint, warum die Unterbringung in einer offenen Einrichtung genehmigungspflichtig sein soll, während die im Rahmen einer Pflege durch die Familie der Betreuer als staatlich bestellter Verwalter und Machtinhaber die freiheitsentziehende Maßnahme ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts anordnen können soll. Nach der richtigen Meinung ist also für alle Maßnahmen freiheitsentziehender Wirkung eine vormundschaftliche Genehmigung einzuholen.
Eine Freiheitsentziehung kommt dann nicht in Betracht, wenn eine Maßnahme nur einmalig angewendet wird. Wenn beispielsweise aufgrund einer Kreislaufstörung die akute Gefahr besteht, dass der Patient aus dem Bett fällt und dann Bettgitter hochgezogen werden, ist dies bei einem Vorfall nicht genehmigungspflichtig. Stellt sich allerdings im Laufe der Zeit heraus, dass diese Kreislaufprobleme oder Orientierungsprobleme öfter vorkommen, dann ist bei wiederkehrendem Anlass eine vormundschaftliche Genehmigung erforderlich. In meinem Beispielfall kommt es auch nicht darauf an, ob der Patient, zum Beispiel weil er schläft, keinen aktuellen Fortbewegungswillen hat. Alleine dass man ihm mehrfach oder inzwischen dann regelmäßig die Bettgitter hochzieht, führt dazu, dass sein Bewegungswille nicht frei entfaltet werden kann, was mithin die Genehmigungspflicht auslöst.
2.
Die vormundschaftliche Genehmigung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die freiheitsentziehende Maßnahme durch die Einwilligung des Betroffenen selbst gerechtfertigt ist. Es ist dabei darauf abzustellen, dass eine Zustimmung des Betreuers oder eines Bevollmächtigten sowie eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht mehr erforderlich sind.
Eine legitimierende Einwilligung des Betroffenen setzt zunächst einmal voraus, dass er einwilligungsfähig bezüglich der konkret geplanten Maßnahme ist. Diese Einwilligungsfähigkeit liegt dann vor, wenn der Betroffene bezüglich der geplanten Maßnahme einsichtig und urteilsfähig ist. Das heißt, wenn er das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite der geplanten Maßnahme erfasst und in der Lage ist, seinen Willen nach dieser Erkenntnis auszurichten. Nach meiner Einschätzung ist das bei den wenigsten Patienten der Fall. Wer fixiert wird und sich nicht dagegen wehrt, weil man ihm vorher die Wirkungsweise erklärt hat, bedarf auch keiner Genehmigung. Immer nur dort, wo ein Kläger ist, ist auch ein Richter. In der Regel dürfte es so sein, dass derjenige, der erst einwilligt, dann widerruft usw. regelmäßig eben keine Einwilligungsfähigkeit mehr aufweist.
Als Betreuer oder Pfleger in der Einrichtung ist es wichtig, die rechtliche Tragweite der Einwilligung zu erläutern. Der Patient ist darüber aufzuklären, warum die freiheitsentziehende Maßnahme zu seinem Wohl notwendig werden könnte, was für Gefahren ihm unmittelbar drohen, wenn die Maßnahme nicht ergriffen wird, und was es eventuell für Alternativen gibt, die ihm eher zusagen. Wichtig ist, dass vorformulierte, pauschale oder antizipierte Einwilligungen jeglicher Art keine Rechtfertigung für freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind. Die Vornahme einzelner freiheitsentziehender Maßnahmen muss mit einer entsprechenden spezifizierten Einwilligung erklärt werden. Die Rechtwidrigkeit der Handlung wird insbesondere nicht durch formularmäßige Erklärungen Betroffener, z.B. als Bestandteil eines Heimvertrages, beseitigt. Dabei ist grundsätzlich die Einwilligung auch mündlich zu erteilen. Es ist aber angesagt, zu Beweiszwecken Art, Inhalt und Zeit des Aufklärungsgespräches und die dazu erteilte Einwilligung in der Pflegedokumentation zu vermerken. Gegebenenfalls ist es auch sinnvoll, einen Zeugen hinzuzuziehen, der möglichst nicht dem Heimpersonal angehört, um dessen Unabhängigkeit bei eventuellen Schwierigkeiten sicherzustellen.
Hat der Betroffene einmal wirksam die Einwilligung zu bestimmten ihm deutlich gemachten Maßnahmen erteilt, ist es nicht notwendig, täglich immer wieder eine neue ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Eine Einwilligung in das Anbringen eines Bettgitters berechtigt nicht nur ein Mal zum Anbringen desselbigen, sondern rechtfertigt dessen regelmäßige Anwendung. Eine erneute Einwilligung ist nur dann notwendig, wenn der Inhalt der Maßnahme sich ändert oder der mit der Maßnahme verfolgte Zweck weggefallen ist, beispielsweise dann, wenn sich die motorischen Störungen oder die Schwindelanfälle inzwischen gebessert haben. Auf jeden Fall ist eine neue Einwilligung nötig, wenn sich der Inhalt der Maßnahme ändern sollte. Jede Verschärfung der freiheitsentziehenden Maßnahmen bedarf wieder einer entsprechenden Einwilligung des Betroffenen.
Als besonders problematisch empfinde ich progrediente Erkrankungen, wie beispielsweise Demenz. Ist der Betroffene noch in einigermaßen gutem gesundheitlichem Zustand eingeliefert worden und verschlimmert sich dann seine Krankheit, ist irgendwann einmal eine Einsicht in die freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht mehr gegeben. Wenn der Betroffene im Laufe seiner Erkrankung die Fähigkeit zur Einwilligung verloren hat, ist die Rechtfertigung für die freiheitsentziehende Maßnahme damit ebenfalls erloschen und es muss eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt werden.
3.
Wegen der verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte können in der Regel freiheitsentziehende Maßnahmen nur durchgeführt werden nach vorheriger Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. In der Zwischenzeit darf man sich regelmäßig nicht darauf berufen, dass es in dem Heim oder der Anstalt Fixierungsrichtlinien gibt. Die Freiheitsrechte können, ebenso wie beispielsweise bei Strafgefangenen, nur durch Gesetz eingeschränkt werden. Eine Fixierungsrichtlinie einer Anstalt oder eines ärztlichen Verbandes oder dergleichen ist kein Gesetz und beseitigt deswegen nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffes. Mit anderen Worten, auf die Fixierungsrichtlinie dürfen Sie sich keinesfalls stützen, wenn Sie nicht in ernstliche Schwierigkeiten kommen wollen.
In dem Zeitraum, in dem festgestellt wird, dass eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, kann der Betreuer oder Bevollmächtigte ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung die freiheitsentziehenden Maßnahmen nur dann anordnen, wenn bei deren Unterbleiben unmittelbare Gefahren für den Betreuten drohen. Das ist quasi eine Sache, die sich nur im Bereich von Stunden oder halben Tagen abspielen kann, weil es die Möglichkeit gibt, nach § 70 h Freiwillige Gerichtsbarkeitsgesetz eine einstweilige Anordnung bei Gericht zu erwirken, das dann eine vorläufige freiheitsentziehende Maßnahme anordnet. In diesem gesonderten Ausnahmefall kann das Gericht auch ausnahmsweise die freiheitsentziehende Maßnahme selbst bestimmen. In allen anderen Fällen wird es so gehandhabt, dass der Betreuer oder der Bevollmächtigte beim Vormundschaftsgericht einen Antrag stellt, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen, die das Gericht dann genehmigt. In der Regel greift das Gericht hier nicht selbst ein, mit Ausnahme eben dieser geschilderten Situation der einstweiligen Verfügung.
4.
Eine Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahme ist nur zur Abwehr von Gefahren für den Betroffenen selbst oder zur Durchführung einer Maßnahme nach § 1906 Abs. 2 Ziff. 2 BGB zulässig. Ist der Betroffene aggressiv gegenüber jedermann und besteht die Gefahr der Schädigung Dritter kommt allein eine Unterbringung nach den Maßgaben des Psychisch-Kranken-Gesetzes der Länder in Betracht.
Eine freiheitsentziehende Maßnahme in Heimpflege kommt nach § 1906 Abs. 4 i.V.m. 1906 Abs. 1 Ziff. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Selbsttötungsabsichten hat oder davon auszugehen ist, dass er sich erhebliche gesundheitliche Schäden zufügen kann. Dazu müssen objektivierbare, konkrete Anhaltspunkte für eine aktuelle Suizidgefahr vorliegen. Die Gefahr der Selbsttötung muss die Ursache in der psychischen Krankheit des Betreuten haben.
Gleiches gilt bei einer möglichen Gesundheitsschädigung des Betroffenen. Es muss eine Prognoseentscheidung getroffen werden, welche Möglichkeiten des Gefahreneintritts vorliegen und ob eine ernsthafte und konkrete Gefahr vorliegt aufgrund tatsächlicher Feststellungen. Das bedeutet zum Beispiel bei jemandem, der sich ständig aus dem Heim oder der Wohnung entfernt, um nachts auf der Straße spazieren zu gehen, dass solches Verhalten sich schon mehrfach ereignet haben muss, weshalb man eben prognostizieren kann, dass dies sich auch zukünftig so fortsetzt. Dann ist natürlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass der Betroffene in der Freiheit beschränkt werden muss, um sein eigenes Leben und seine Gesundheit zu schonen. Die Gefahr erheblicher Gesundheitseinschränkungen ist von der Rechtsprechung verschiedenfach ausgeurteilt worden. Sie wird angenommen, wenn der Betreute krankheitsbedingt sein Leben gefährdet, also z.B. lebenswichtige Medikamente nicht einnimmt, krankheitsbedingt die Nahrungsaufnahme verweigert, wenn altersverwirrte Betreute planlos oder nachts bei Kälte ohne Beachtung des Straßenverkehrs herumlaufen, sich wiederholt Verletzungen durch Stürze im Alkoholrausch zuziehen oder ähnliches. Ich möchte betonen, dass es Ihnen sicherlich nicht leicht fällt, im Einzelfall zu unterscheiden, woher das Motiv der jeweiligen Handlung kommt, denn die Betreuung kann nur dann freiheitsentziehend tätig werden, wenn es sich um eine krankheitsbedingte Gefährdung handelt. Dagegen abzugrenzen ist – und das sollte sich jeder wirklich vergegenwärtigen –, dass eine unzureichende organisatorische oder personelle Ausstattung der Abteilung und des Heimes und damit verbundene fiskalische Gesichtspunkte keinesfalls Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen. Damit scheidet auch die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen regelmäßig aus. Der Einsatz von Fixierungen oder sedierenden Medikamenten zur Erleichterung der Pflege wegen nörgelnder Patienten oder Personalmangels ist verboten.
5.
Wenn die freiheitsentziehende Maßnahme ihren Sinn erfüllt hat, z.B. wenn der mit Orientierungsstörungen behaftete Betroffene sein Orientierungsvermögen wiedererlangt, ist die Maßnahme sofort zu beenden. Gleichfalls ist sie zu dem Zeitpunkt zu beenden, der in der vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung festgelegt wurde. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach § 1906 Abs. 3 Satz 2 BGB der Betreuer und Bevollmächtigte verpflichtet ist, bei Wegfall der medizinischen oder rechtlichen Voraussetzungen die Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahmen dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen bzw. anzuzeigen. Wer das unterlässt, kann sich einer Freiheitsberaubung strafbar machen und schuldet unter Umständen auch Schadensersatz nach §§ 823 ff. BGB.
Für die Strafbarkeit kommt es letztlich auch darauf an, ob das Verhalten schuldhaft den Tatbestand erfüllt hat. Dabei reicht regelmäßig bedingter Vorsatz. D.h. dass man das Verhalten kennt, nicht unbedingt jedoch den eingetretenen Erfolg. Da der Mitarbeiter im Heim oder des Pflegedienstes regelmäßig Hilfestellung leisten will, wird kaum jemals ein strafrechtlich relevanter Vorsatz nachzuweisen sein. Eine fahrlässige Begehung der Freiheitsberaubung oder Nötigung ist aber im Gesetz nicht vorgesehen. Lediglich die erwähnte Körperverletzung kann gemäß § 229 StGB fahrlässig herbeigeführt werden.
Das Heimpersonal sollte bei Anhaltspunkten für die Notwendigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen rechtzeitig den Betreuer oder Bevollmächtigten auf die Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hinweisen. Auch wenn das schwierig ist, sollte vermieden werden, dass der Betreute erst Schaden nimmt, bevor eine solche Genehmigung beantragt wird. Dazu kann sich der Bevollmächtigte oder der Betreuer gern den Diensten der Rechtsanwälte Schäfer & Partner bedienen.
6.
Das Verfahren eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu erlangen, ist in den §§ 70 f. FGG geregelt. Sachlich zuständig ist das Vormundschaftsgericht nach § 70 Abs. 1 FGG und dort funktionell der Vormundschaftsrichter. Ist ein Betreuungsverfahren noch nicht anhängig, so ist das Vormundschaftsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen befindet. Ansonsten ist örtlich zuständig das Vormundschaftsgericht, bei dem die Betreuung für den Betroffenen geführt wird.
Das Verfahren wird durch einen Antrag des Betreuers oder Bevollmächtigten eingeleitet.
Einerlei wie der Zustand des Betroffenen ist, ist er für das Verfahren verfahrensfähig. Er ist vor einer gerichtlichen Entscheidung persönlich anzuhören. Nach § 70 c FGG muss sich das Gericht einen persönlichen Eindruck des Betroffenen verschaffen, und zwar in der üblichen Umgebung, in der der Betroffene lebt.
Nach § 70 b FGG bestellt das Vormundschaftsgericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich erscheint. Ein Verfahrenspfleger ist dann von Nöten, wenn von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll. Dabei ist der Betreuungsbehörde Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ebenso sind nach § 70 d Abs. 1 FGG Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Kinder, der Betreuer etc. zu hören sowie der Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt.
Sind die Symptome nicht eindeutig, kann das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Das ist aber nicht der Regelfall. Es wird allerdings in der Regel ein Attest des behandelnden Arztes anfordern. Der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung muss dem Betroffenen eine konkrete Unterbringungsmaßnahme auferlegen und den Zeitpunkt bezeichnen, an dem die freiheitsentziehende Maßnahme spätestens endet. Es kommt auch häufig vor, dass das Vormundschaftsgericht eine ausdrückliche ärztliche Anordnung in jedem Einzelfall zur weiteren Voraussetzung macht. Das ist problematisch bei Pflegefällen, die in Familienpflege betreut werden, weil dort der Arzt nicht ständig verfügbar ist.
Die Genehmigung zur Unterbringung oder zu freiheitsentziehenden Maßnahmen ist den Beteiligten bekanntzugeben, ebenso dem Leiter der Einrichtung.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Darlegungen ein Gefühl verschafft zu haben, wann Sie bei freiheitsentziehenden Maßnahmen sich auf die Einwilligung des Betroffenen verlassen können oder wann jedenfalls eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist.
Berlin, Oktober 2015